Stellen Sie sich vor, Sie sind neu in einer App, die Ihnen beim Sparen helfen soll. Sie haben gerade Ihre Daten eingegeben, sind gespannt auf den nächsten Schritt – und stoßen auf einen Button mit der Aufschrift „Fortfahren“. Würden Sie klicken? Oder kurz zögern, weil das Wort irgendwie unklar klingt? Genau an diesem Punkt entscheiden sich viele Nutzer, ob sie weitergehen oder abbrechen. Ein einziges Wort kann den Unterschied machen – und genau hier setzt UX-Writing an.
Bei der Übersetzung von Software und Apps ins Deutsche sind es oft nicht die großen, komplexen Begriffe, die für Stolpersteine sorgen – sondern die kleinen Worte, die Nutzer in ihrem Alltag begleiten. Ein falscher Button-Text kann ausreichen, damit ein Prozess abgebrochen wird oder Unsicherheit entsteht.
Was macht gutes UX-Writing aus?
UX-Writing ist die Kunst, mit wenigen Worten Orientierung, Klarheit und Vertrauen zu schaffen. Während Übersetzer vor allem auf sprachliche Korrektheit achten, geht es beim UX-Writing zusätzlich um:
- Kürze: Texte sollten auf einen Blick verständlich sein.
- Eindeutigkeit: Missverständliche Begriffe führen zu Abbrüchen.
- Konsistenz: Gleiche Aktionen sollten immer gleich benannt sein.
- Nutzerfokus: Die Sprache muss sich am Alltag der Nutzer orientieren, nicht an internen Fachbegriffen.
Mini-Case-Study 1: „Continue“ → „Fortfahren“ vs. „Weiter“
Ein SaaS-Anbieter wunderte sich über hohe Abbruchraten beim Onboarding. Nach Analyse stellte sich heraus: Der Button „Fortfahren“ klang zu steif und amtlich – erinnerte eher an Behördenformulare als an eine moderne App. Nach einem kleinen Experiment – der Button wurde in „Weiter“ geändert – stieg die Abschlussquote im Onboarding um 17 %. Manchmal reicht ein einziges alltagstaugliches Wort, um den Flow wieder in Gang zu bringen.
Mini-Case-Study 2: „Cancel“ → „Abbrechen“ vs. „Zurück“
Ein E-Commerce-Shop stellte fest, dass viele Kunden den Bestellprozess ungewollt abbrachen. Der Grund: Der Button „Abbrechen“ wurde von vielen so interpretiert, dass nur der letzte Schritt rückgängig gemacht würde. Die Lösung war einfach: „Zurück“ für den vorherigen Schritt, „Abbrechen“ nur für das Beenden des gesamten Vorgangs. Diese klare Differenzierung führte zu mehr abgeschlossenen Käufen und weniger Frustration.
Mini-Case-Study 3: „Save“ → „Speichern“ vs. „Sichern“
Ein Fintech-Startup erhielt viele Support-Anfragen mit Fragen wie: „Wird hier ein Backup erstellt?“ oder „Geht es um Sicherheitsfunktionen?“. Der Auslöser war die Übersetzung von „Save“ mit „Sichern“. Zwar korrekt, aber zu mehrdeutig.
Erst die Umstellung auf „Speichern“ brachte Klarheit – und ließ die Support-Anfragen deutlich zurückgehen.
Mini-Case-Study 4: „Submit“ → „Absenden“ vs. „Bestätigen“
Das Team einer Versicherungs-App stellte fest, dass Nutzer am Ende von Formularen auffallend lange zögerten. Der Button „Absenden“ wirkte kühl und technokratisch – als würden die Daten im Nirgendwo verschwinden.
Nach der Umstellung auf „Bestätigen“ änderte sich das Nutzerverhalten spürbar: Die Formulierung vermittelte Sicherheit und Kontrolle. Das Vertrauen wuchs – und mit ihm die Conversion Rate.
Mini-Case-Study 5: Tonalität und Ansprache
Eine Lifestyle-App nutzte die wortwörtliche Übersetzung „Jetzt registrieren“ für „Sign up now“. Das klang korrekt, aber distanziert.
Im nächsten Testlauf ersetzte das Team die Formulierung durch „Jetzt anmelden“. Ein kleines Wort mit großer Wirkung: alltagstauglicher, direkter, näher an der Sprache der Zielgruppe. Die Klickrate stieg spürbar.
Weitere kleine, aber entscheidende Unterschiede
- „Login“ → im Deutschen besser „Anmeldung“ als „Login“.
- „Logout“ → verständlicher ist „Abmelden“.
- „Retry“ → besser „Erneut versuchen“ statt „Wiederholen“, da letzteres oft doppeldeutig ist.
Praktische Tipps für besseres UX-Writing
Wer Texte für Interfaces übersetzt oder schreibt, sollte sich folgende Fragen stellen:
- Ist der Text sofort und ohne Kontext verständlich?
- Würde ich diesen Begriff im Alltag genauso verwenden?
- Ist die Ansprache konsistent in der gesamten App oder Website?
- Unterstützt der Text die Handlung, die Nutzer ausführen sollen?
Ausblick
UX-Writing entscheidet im Kleinen über den Erfolg im Großen. Ein klarer Button-Text oder eine alltagstaugliche Formulierung können den Unterschied zwischen Abbruch und Conversion machen. Es lohnt sich, UX-Writing von Beginn an mitzudenken – nicht als nachträgliche Übersetzung, sondern als Teil des Designprozesses. Denn Sprache ist immer auch Teil der User Experience.
Welche Begriffe sind Ihnen schon begegnet, die formal korrekt, aber im Alltag irritierend waren? Teilen Sie Ihre Erfahrungen gern mit mir!